Regio-bio auf der Speisekarte lohnt sich

Seit gut eineinhalb Jahren verwöhnen Iris und Kornelia Eibeck die Gäste in ihrer Gaststätte Dorfstube mit Speisen, die sie aus regionalen biologisch erzeugten Lebensmitteln zubereiten. Lange war ihr Lokal in der Rhön ein Geheimtipp. Doch inzwischen bekommt man hier ohne Tischreservierung kaum einen Platz.

Dorfstube Rengersfeld EssenEs duftet. Nach gerösteten Zwiebeln, Gemüse und Sonntagsbraten. Wie früher bei Oma. Bei ihr traf sich die Familie immer sonntags zum Mittagessen. Stühle und Tische wurden zusammengerückt und das große Schlemmen konnte beginnen. Es war eng und laut, aber auch urgemütlich und vor allem köstlich. Kindheitserinnerungen. Geweckt in der Dorfstube Rengersfeld. Eine kleine Gaststätte im Ortsteil von Gersfeld. Eine große Wohnküche, die scheinbar nur darauf wartet, dass die Familie gleich zum Essen kommt. Am Herd steht Iris Eibeck, die Inhaberin, in weißer Jacke und roter Slow-Food-Schürze. Im Rohr schmort ein Zwiebel-Rinderbraten. Aus den Töpfen dampft und zischt es.

 

Die große, dunkelhaarige Frau lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, arbeitet konzentriert. Jeder Griff sitzt. Jedes Utensil liegt parat. Das muss es auch, denn viel Platz hat die Köchin in ihrer kleinen Welt nicht. Ihre offene Küche ist das Herz der Dorfstube. Hier pulsiert das Leben: Hier wird geschnippelt, geschält, gebraten und gekocht. Hier werden Teller angerichtet, gespült und wieder eingeräumt. Hier stehen die Gläser, die Getränketheke und die große Kaffeemaschine. Hier ist der Gast dabei. Hier kann er genau verfolgen, was in der Küche geschieht. Hier gibt es kein Showcooking. „Die Leute sehen: Hier wird geschafft“, sagt Iris Eibeck. Und sie? Sie sieht, wie es den Gästen schmeckt.

 

Etwa 30 Leute finden in der Dorfstube Platz. Im Sommer sind die kleine Terrasse vorm Haus und der Biergarten geöffnet. Mehr Gäste sollen es nicht werden. „Das würden wir personell nicht schaffen. Auch ginge die Atmosphäre verloren“, sagt Kornelia Eibeck, die Frau von Iris. Für das Paar ist es nicht einfach nur ein Job, die Dorfstube zu betreiben, sondern das Leben ihrer Überzeugungen: Sich Zeit für das Essen und dessen Zubereitung nehmen. Gute, regional und biologisch erzeugte Zutaten verwenden und die Mahlzeit genießen. Anfangs haben sich viele gedacht, die spinnen, die Eibecks. Inzwischen sind die beiden Frauen gefragte Gastgeberinnen. Ohne Reservierung bekommt man in ihrer Dorfstube eher selten einen Tisch. „Man darf nun aber nicht denken, das klappt von heute auf morgen“, weiß Kornelia Eibeck. Sie und ihre Frau haben Jahre gebraucht, sowohl für das Konzept ihrer Dorfstube als auch für dessen Umsetzung. „Am Anfang wussten wir nur, was wir nicht wollten“, fügt sie hinzu. Kein Fastfood und keinen Einheitsbrei.

 

Die beiden stammen aus dem Wiesbadener Raum, wollten nach aufreibenden Tätigkeiten im Verlagswesen und als Betriebswirtin noch einmal ganz neu durchstarten. Iris Eibeck absolvierte eine Kochausbildung, schloss eine weitere zur Diätköchin an und sammelte schließlich Berufserfahrung in renommierten Gasthäusern in der Pfalz, im Spessart und in Franken. 2013 nahm sich das Paar eine Auszeit und reiste mit dem Wohnmobil durch Italien, Österreich und Deutschland, um Rezepte und Ideen zu sammeln. Auch, um einen Standort für die Dorfstube zu finden. „Zum Abschluss unserer Reise machten wir Station in Bischofsheim. Dabei verliebten wir uns in die Rhön und in den Bauernhof in Rengersfeld, den wir dann kauften.“ Nach gut eineinhalb Jahren Kernsanierung konnten die Eibecks im Juni 2015 ihre Dorfstube eröffnen. „Die Bauzeit haben wir dazu genutzt, um Kontakte zu knüpfen und regionale Lieferanten für gutes Bio-Fleisch und Bio-Gemüse zu finden“, erinnert sich Iris Eibeck. „Wir waren überrascht, wie einfach das in der Rhön ist, quasi direkt um die Ecke“, ergänzt ihre Frau.

 

Etliche Bauernhöfe und Ställe wurden besichtigt und viele Gespräche geführt. Mit Erfolg. Es entwickelten sich vertrauensvolle Geschäftsbeziehungen zu Direktvermarktern, die bis heute bestehen. Das Rindfleisch etwa holen die beiden Gastgeberinnen noch immer beim Bio-Rhönbauer in Oberweißenbrunn, die Gänse und Gockel sowie die Rhönschaf- und Ziegenlämmer bei Kolbs Bio-Hof in Ginolfs. „Und jedes Jahr kaufen wir ein Bio-Schwein von unserem Nachbarn Oli Kirchner“, verrät Kornelia Eibeck. Das bekommt dann immer einen Namen und eine extra Erwähnung auf der Speisekarte, etwa als Sülze, Schnitzel oder Frikadellen von „Amanda“, „Bert“ oder „Charlotta“. Momentan gibt es „Dörte asiatisch“.

 

Dorfstube Rengersfeld DetailDieses Engagement und Bewusstsein wird nicht nur von den Gästen gewürdigt, die jedes Wochenende für ein volles Reservierungsbuch sorgen. Im Sommer 2018 wurde die Dorfstube Rengersfeld im Produktsegment Fleisch bio-zertifiziert. Das wiederum führte dazu, dass die Gaststätte mit dem „Biosiegel Rhön“ des Verein Dachmarke Rhön e.V. ausgezeichnet wurde, dem sie seit 2017 angehört. Somit ist der Betrieb von Kornelia und Iris Eibeck einer, von insgesamt vier Gastronomiebetrieben in der Rhön, der dieses Siegel führt. Doch nicht nur beim Fleisch schauen die beiden Gastgeberinnen auf regionale Bio-Qualität. In ihrer Küche kommen ausschließlich ökologisch produzierte Gewürze und Öle sowie saisonale Bio-Gemüse zum Einsatz. „Wir werden dieses Jahr noch unser komplettes Speiseangebot zertifizieren lassen. Deshalb prüfen wir genau, woher jede Zutat kommt“, sagt Iris Eibeck. Selbst für den Nachtisch ist den beiden die Bio-Qualität wichtig. Dafür plündern sie im Sommer sogar die Beerensträucher und Obstbäume im eigenen Garten. „Manchmal gehe ich auch Heidelbeeren im Wald sammeln. Das ist dann auch gleich schön entspannend“, verrät die Köchin.

 

Rückblickend finden sie und ihre Frau, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben, auch wenn er nicht immer einfach war. „Wir haben uns unter anderem gefragt, wie kaufen wir das alles ein?“, erzählt die Betriebswirtin. Schließlich lassen sich die regionalen Bio-Produkte nicht einfach über den Großhandel beziehen. Somit entwickelten die beiden eine spezielle Rhön-Einkaufstour, bei der sie ihre Lieferanten nach einen ausgeklügelten Zeitplan anfahren. Auch bei den Gerichten für die Speisekarte mussten sie kreativ werden und umdenken. „Wir haben auf unseren Reisen viele Rezepte gesammelt, die wir nun mit den Rhöner Zutaten abwandeln“, erklärt Kornelia Eibeck und nennt als Beispiele das „Rhöner Pollo alla cacciatora“, ein italienisches Schmorhähnchen in Rotwein gegart, und den Zwiebel-Rinderbraten, der soeben im Rohr vor sich hin schmort und einen verführerischen Duft verströmt. „Die Rezepte dafür stammen aus Italien“, verrät sie. Inzwischen sind beide Gerichte nicht mehr von der Speisekarte wegzudenken, gelten sogar als Klassiker, so gerne werden sie in der Dorfstube Rengersfeld gegessen. Und nicht nur da.

 

Beim Praxisworkshop „Die Bestseller auf der Speisekarte – regional, bio, fair“, der Mitte Januar mit Rhöner Gastronomen und Produzenten in der Umweltbildungsstätte Oberelsbach stattfand, konnten sich die Teilnehmer selbst davon überzeugen, wie köstlich der Rengersfelder Rinderbraten schmeckt. Iris Eibeck hatte ihren Bestseller, mit Kartoffelknödeln und Blaukraut als Beilage, für das gemeinsame Abendessen zubereitet. Außerdem war die Köchin bei dem Workshop als Bio-Mentorin gefragt, referierte über ihre Erfahrungen beim Kochen, Backen, Braten … mit regionalen Bio-Produkten. Abschließend gab es noch den direkten Erfahrungsaustausch mit den Rhöner Produzenten, die sich in einer kleinen Messe vorstellten. Auch Kornelia Eibeck war an dem Tag dabei, ging ihrer Partnerin zur Hand. „Wir unterstützen gerne solche Veranstaltungen“, sagt sie. Denn noch immer, so ihre Erfahrung, würden sich Gastronomen schwer damit tun, regionale Bio-Produkte zu verwenden oder sich zertifizieren lassen. „Viele fürchten, dass es Geld kostet und nichts bringt“, sagt sie. Dabei sei genau das Gegenteil der Fall. „Es gibt beispielsweise im Landkreis Rhön-Grabfeld sogar eine Förderung für Gastronomiebetriebe, wenn sie auf Regio-Bio umstellen. Das finde ich gut.“

 

Zurück in Rengersfeld. Der Zwiebel-Rinderschmorbraten ist nun fertig und erfüllt die Dorfstube mit einem intensiven, verführerischen Duft nach gerösteten Zwiebeln, Gemüse und Sonntagsbraten. So wie früher bei Oma. Nicht mehr lange, dann kommen die ersten Gäste. Dann werden hier in der Dorfstube die Stühle und Tische verrückt und das große Schlemmen beginnt. Es wird vielleicht auch ein wenig eng und laut, dafür aber gemütlich und vor allem köstlich. So wie in den Kindheitserinnerungen - nur in echt. In der Dorfstube Rengersfeld. Eine kleine Gaststätte im Ortsteil von Gersfeld. Eine große Wohnküche, die scheinbar nur darauf wartet, dass die Familie gleich zum Essen kommt.  Autorin: Kathrin Kupka-Hahn


Informationen:

Dorfstube Rengersfeld – Inh. Iris Eibeck, Rengersfeld 25, 36129 Gersfeld (Rhön)
Telefon: 0160 9065 4050 / E-Mail: iris.eibeck@dorfstube-rengersfeld.de
Internet: www.dorfstube-rengersfeld.deexterner Link
Geöffnet am Freitag, Samstag und Sonntag.